11. Etappe: Claußnitz - Hermsdorf

In der Tat war es eine sehr ruhige Nacht in Claußnitz im Kreis Mittelsachsen. Dass es schon die ganze Nacht geregnet hat, habe ich nicht mitbekommen. Erst beim Aufwachen habe ich die herunterprasselnden Tropfen bemerkt. Nun, was willst du machen? Einfach das Beste draus und das ist erst mal Ruhe bewahren und gemütlich das Frühstück einnehmen. Bei Eintreten in den Frühstücksraum bemerke ich sofort, dass alle gekochten Frühstückseier mit irgendwelchen lustigen Symbolen bemalt sind. Die Bedienung hat sich sehr gefreut, als ich sie darauf angesprochen habe. Wir haben uns über dies und jenes unterhalten. Sie hat ein richtig breites Sächsisch gesprochen, und heute habe ich es verstanden. Liegt das wohl doch an Pfingsten?  

Jedenfalls kommen heute zum ersten Mal gleich beim Start alle Regensachen zum Einsatz. Es schüttet inzwischen wie aus Kübeln. Aber ich treibe mich selbst an. Kurz nach neun Uhr verlasse ich Claußnitz mit eingeschaltetem Navi mit dem Zwischenziel Altenburg in Thüringen. Bei den ersten unvermeintlichen Aufstiegen schießt mir das Wasser quasi entgegen. Ja, was soll ich da sagen. Bei schönem Wetter kann JEDER radeln. Aber dem lieben symbadischen P bin ich für dieses nasse ‚Zugabe‘ überhaupt nicht Gram. Er muss heute wohl eine andere Klientel bedienen. Und das ist auch sicherlich erforderlich nach den vielen trockenen Tagen. Jedenfalls sollen es heute fast 70 anstrengende und sehr nasse Kilometer werden. Ja, was soll ich sagen. Auf der gefühlten höchsten Höhe wird der Regen stärker und ein starker Wind setzt ein. Was machen? Weiterfahren oder stehen bleiben…aber wo? Ich entscheide mich für Ersteres. Meine Brille muss ich von Wasser befreien, als ich sehe, als ein Mann mit Hund mir entgegenkommt. „Wie gann mon bai eenem Wedder wie haid mit’m Rod fohrn.“ Ich antworte im Vorbeifahren, dass bei schönem Wetter Jeder radfahren kann. Ob er es verstanden hat?

 

Bald muss ich die Landesgrenzen zu Thüringen überfahren haben. Jedenfalls verändert sich meine Mimik, als ich bei starkem Regen gerade zur Mittagszeit in die ehemaligen thüringischen Residenzstadt Altenburg einfahre. Ich sehe mit Interesse die Autokennzeichen AGB und AGL für den Kreis Altenburg-Land.

 

Auf dem großen, optisch sehr reizvollen Marktplatz stehe ich Robert der Radtourist, ganz alleine. Als ich absteige und mein Rad schiebe erschrecke ich selbst von den von meinen Klickies ausgehenden Geräusche.

 

Die Stadt hatte ja einst seine Blüte in der Fertigung von Hüten und Zylindern, das einen großen Reichtum brachte. Auch lese ich, dass in Altenburg im Jahre 1810 das Kartenspiel Skat erfunden wurde.  

 

Eine kleine Pause mit was zum Essen und Trinken wäre jetzt gut. Aber es ist hier Totenstille und die Lokale sind noch zu. Also, weiterfahren. Weil es immer noch regnet und weil gerade zur Mittagszeit die Bundesstraße kaum befahren ist, entscheide ich mich zumindest bis Schmölln für die ‚schnelle Strecke‘. Trotz der hohen Feuchtigkeit fühlr ich mich durstig und auch hungrig. Schmölln-Zentrum folge ich der Richtung. Aber denkste, heute um diese Zeit jedenfalls tote Hose. Ein Dönerlokal ist das Einzigste, was Leben zeigt. Ich steige vom Rad, gehe mit pitschnassen Klamotten ins Lokal und…erwarte einen Anschiss. Im Gegenteil, der nette Türke wünscht mir erst mal einen guten Tag und sagt mir, dass ich meine nassen Klamotten über die Stühle (!) hängen kann. Ich bestelle einen Döner und zwei Getränke. 

Diese Pause in dieser lockeren Umgebung hat echt gutgetan. Der nette Türke wünscht mir eine gute Weiterfahrt. Am Marktplatz der noch schlafenden Kleinstadt lese ich, dass die Kleinstadt lange von der Textilindustrie geprägt war. In der 1861 eingeführten Knopffabrikation waren bis zum Ersten Weltkrieg viele Menschen beschäftigt. Heute ist es die Bürsten- und Zahnbürstenfabrikation sowie der Maschinenbau. 

Im Regen und mit nun stark einsetzenden Gegenwind fahre ich weiter. Tempo kann unter diesen Umständen nicht aufkommen. Aber was soll‘s? Es geht weiter, aber halt langsam. Ronneburg lassen ich heute unter diesen Umständen einfach außen vor.

Es ist Nachmittag und -oh Wunder- der Regen hört auf und es wird auch deutlich heller. Kurz vor Gera halte ich an und befreie mich von den Regenklamotten. Unter diesen ‚dichten Textilien‘ bin ich aber schweißnass. Die ersten Minuten ist das zwar unangenehm, aber mit der Zeit trocknet dann auch mein schweißiges Trikot. 

Mein Weg führt mich am späten Nachmittag auch nach Gera. Mit dem Einsetzen der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt ein großes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Gera war zur Blütezeit der Stoff- und Tuchindustrie eine der reichsten Städte in Deutschland. Über 100 zum Teil sehr bedeutende Stadtvillen zeugen heute noch vom Glanz und Reichtum vergangener Zeiten. Das historische Zentrum der Stadt bildet bis heute der Markt mit dem 1576 eingeweihten Geraer Rathaus. Wollte ich hier alles abradeln, so müsste ich meinen Zeitplan ändern. Aber einen sehr positiven Eindruck hat die Stadt bei mir hinterlassen. 

20 Kilometer sind zwar nicht weit, aber wenn man bedenkt, dass ich über 80 Kilometer unter widrigen Umständen schon hinter mir habe. Also eiligst auf den Weg Richtung Etappenziel. Nah an Bad Köstritz vorbei (Köstritzer Schwarzbier…hmmm) schwenke ich ein in Richtung Jena. Aber diese Stadt ist mir heute noch zu weit entfernt. In einer kleinen Stadt mit Namen Hermsdorf, dem Zentrum des Thüringer Holzlandes, habe ich mein vorbestelltes Quartier. Hier im Haus des Hotels Linde werde ich schon erwartet. 

Die Dusche spült wiederum den ganzen widrigen Umstand ab und danach bin ich wieder mehr als zufrieden (auch mit mir). Ich bin sehr dankbar für alles, was ich heute wieder erleben durfte. Das Abendessen im Lokal habe ich sehr genossen, auch das Köstritzer Bier. 

Jetzt genieße ich noch die vor kurzem aufkommende Abendsonne und wünsche Euch, lieber Freunde, die mir auch schöne und aufmunternde Kommentare zukommen lässt, ein wirklich Gut’s Nächtle un noch scheene Pfingschde. 

Morgen werde ich in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt sein.

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Kommentare: 1
  • #1

    Robert und Marianne (Sonntag, 04 Juni 2017 23:13)

    Lieber Robert,
    wenn auch in der Stadt der Hüte niemand für dich den Hut gezogen hat, wir ziehen ihn vor deiner Leistung, lümmelnd auf der Couch beim Rockkonzert. Beim Vorlesen von Altenberg hat auch mein alter Skatspieler sofort die dort festgelegten Regeln erwähnt. Das Wetter war bei uns nicht ganz so nass, aber die Abendsonne hatten wir dann auch.
    LG

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