Freier Tag in Erfurt

Ich wache um 7:30 Uhr auf und traue meinen Augen nicht. Entgegen den Vorhersagen scheint mir die Sonne ins Gesicht. Ich gehe ans Fenster und überzeuge mich nochmal. Tatsächlich, blauer Himmel. Na, lieber symbadischer P, du willst mir heute in Erfurt wieder eine Freude bereiten!

Gut gestimmt mache ich mich fertig fürs Frühstück. Es sind gerade mal ein paar Meter zum Gebäude mit dem Speisesaal (mein Übernachtungshaus ist nicht direkt im Hauptgebäude). Zunächst bin ich noch alleine am Tisch. Dann kommen die anderen „Spätaufsteher“. 

Aber jeder setzt sich allein an einen anderen Tisch. Nach meiner ersten Tellerfüllung kommt eine Frau mittleren Alters in den Raum und begrüßt mich, wie wenn wir uns schon lange kennen würden. Sie setzt sich an meinen Tisch. Redselig, wie sie sich nun zeigt, erzählt sie mir, dass sie sich (als Krankenschwester) in einem Sabbatjahr befindet und nun die Gelegenheit nutzt, hier in Thüringen auf Jakobswegen zu wandern. Zwischendrin komme ich auch zu Wort und erzähle ihr meine Geschichte. Somit ist das heute ein recht unterhaltsames Frühstück.Ich schlendere zurück zu meinem Quartier, hänge nun die Wäsche ab(!) und schaue auf meinen Merkzettel, was ich nun noch zu tun habe. Z. B. noch einen Anruf tätigen beim Büro des Landtagspräsidenten. Der Termin 12 Uhr wird bestätigt. Dann lege  ich meine Zivilkleidung ab und schlüpfe in sauber gewaschene Radkleidung der Marke Velofreaks. Gekämmt (!), gebürstet und etwas dominantes Deo an mich ran. Letzter Blick in den Spiegel…der Herr Landtagspräsident wird Augen machen.

Es ist noch Zeit bis zum Termin. Daher fahre ich mit meinem Radl in die Erfurter Altstadt. Gleich nach der Bahnhofspassage komme ich zum Willy-Brandt-Platz. Hier, vor dem Hotel Erfurter Hof, haben im März 1970 tausender DDR-Bürger beim Besuch des damaligen Bundeskanzlers Brandt skandiert: „Willy Brandt ans Fenster“. Das waren aus heutiger Sicht gesehen, schon die ersten Anzeichen des Umsturzes in der DDR.

Die Fußgängerzone Altstadt ist sehr belebt. Ich schiebe nun mein Fahrrad und sehe dabei viele schöne und herausgeputzte Häuser. Man kann nur staunen, was aus dieser Stadt geworden ist. 1999 war ich mit meiner Frau schon mal hier (und dann auch noch viel später mit den Velofreaks), kein Vergleich mehr.

Was mir auffällt, in der Straßenmitte fahren die Trams, es gibt kein Autoverkehr. Radfahrer können in der Fußgängerzone neben den Straßenbahngleisen fahren. Und wenn eine Tram einen Radfahrer vor sich hat, dann schrillt sie nicht, sondern fährt bedächtig hinterher. Ich glaube, da müssten die Karlsruher Verkehrsplaner mal ein paar Tage nach Erfurt.

Die Krämerbrücke ist mein nächstes Ziel. Des Weiteren noch zwei wiederaufgebaute (ursprünglich) gotischen Kirchen. In einer habe ich meine Lebertour in einem Gästebuch verewigt.

Die Kirchturmuhr schlägt halb Zwölf. Ich fahre nun auf der Löberstraße heraus aus der Altstadt Richtung Süden zum Landtagsgebäude des Thüringischen Landtages.

Es ist noch etwas Zeit. Ich stelle mich vor die Glastür, die wie ein Spiegel wirkt und schaue mich nochmals an. Kurz vor ‚Zwelfe‘ melde ich mich mit „Leber“ an der Pforte an. „Der Herr Landtagspräsident kommt sofort“. Und plötzlich kommt der Tross aus dem Gebäude. „Herr Leber, ich begrüße Sie hier in Erfurt“. Ich drücke die ausgestreckte Präsidentenhand mit gewohnt männlichem Druck und sage ihm zur Begrüßung, dass ich mich sehr geehrt fühle, auf diese Art und Weise so einen hohen Politiker treffen zu dürfen. Der Händedruck hat gewirkt. „Sportlich“, meint er. Nun stellt er mir seinen Tross vor. Der Pressereferent, die Fotografin und noch einer (vielleicht Leibwache…??).

Es kam zu kurzen Dialogen übers Radfahren, die gute Sache, die vielen Kilometer. Die Fotografin macht jede Menge Bilder. Ich sage zu Herrn Carius, dass „Präsidenten auch meinen Lenker anfassen dürfen“. Darüber hat er geschmunzelt. „Ist da an Ihrem Fahrrad auch kein Elektromotor drin?“ oder „Fahren Sie dann auch mal mit der Bahn, wenn Sie nicht mehr können?“

Na, wie soll so ein viel beschäftigter Mann mich auch richtig kennen. Dann urplötzlich: „Herr Leber, machen Sie es weiterhin gut und gute Fahrt für die weiteren Streckenabschnitte.“ Und schon ist er weg. Sein Pressereferent erklärt mir, dass heute wieder wichtige Termine anstehen. Ihm gebe ich noch auf seinen Wunsch hin meine e-Mailadresse. Die Bilder schickt er mir noch. Und schon ist er auch weg.

Ich freue mich trotzdem, mein Ziel habe ich erreicht…und es ist wiederum ein tolles Eventle.

Nach diesem „Blitzlicht“ setze ich mich erst mal auf eine Bank und lasse nochmal alles auf mich einwirken. Nach einem Schluck Wasser fahre ich wieder über die Löberstraße in die Altstadt. Mein Rad schiebend betrachte ich immer wieder neue Sehenswürdigkeiten.

Am Domplatz ist Markt. Und am Markt gibt es auch Bratwurststände. Eine Thüringer mit viel Senf vor dem hohen Treppenaufgang zum Dom schmeckt mir sehr gut. Derweil beobachte ich die vielen Menschen. Auch Radfahrer (da meine ich die mit Gepäcktaschen!) sind viele hier. Man grüßt sich und hie und da erzählt man seine Reiseziele.

Der Besuch im St. Mariendom ist gerade heute für mich was ganz Besonderes. Bin ich doch über 1.300 km gestrampelt, um ihn als Radfahrer besuchen zu dürfen. Ich setze mich in eine Bank, halte Andacht und bestaune dann in aller Ruhe das unbeschreibliche Interieur in dieser Kirche. Die daneben sich befindliche Severikirche ist im Gegensatz dazu geradezu schlicht ausgestattet. Auf dem Domhügel zu stehen und auf die Altstadt von Erfurt zu blicken ist heute für mich eine emotionale Wucht.

Auf der gegenüberliegenden Seite, am Beginn zum Altstadtbereich ist ein Café. Hier setze ich mich an einen Tisch mit Blick auf die beeindruckenden sakralen Bauten. Der Kaffee mit einem Mohnkuchen schmeckt mir bestens.

Wind kommt auf und dunkle Wolken erreichen die Stadt. Ich zahle und setze mich auf mein Rad. Beruhigend fahre ich einige Punkte nochmals ab, auch ohne Angst zu haben, dass eine hinter mir fahrende Tram mich auch noch bedrängen könnte.

Ich kaufe bei dm und in nahkauf noch Nützliches ein. Nach der Bahnhofspassage fängt es schon an zu tröpfeln. Über einen Radweg erreiche ich noch kurz vor dem richtig heftig einsetzenden Schauer mein Quartier in der Erfurter Südstadt.

Ein schöner, ereignisreicher und im wahrsten Sinn des Wortes beschaulicher Tag hier in der Thüringischen Landeshauptstadt geht für mich zu Ende.

Nun heißt es wieder Packtaschen richten. Morgen früh geht’s dann wieder weiter. Go West heißt die Devise. Den letzten Abschnitt des Thüringer Städteketten-Radweges werde ich sicherlich auch noch genießen bis zu meinem Etappenziel Eisenach.

Ich grüße Euch alle recht herzlich. Mir geht es gut und ich habe mich heute auch wieder gut erholen können.

Lieber Sportsfreund Rudi, alles Liebe und Gute zu Deinem heutigen Geburtstag. Mach weiter so!

Ja und jetzt noch…..ein gut’s Nächtle!

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Kommentare: 2
  • #1

    Bernhard (Dienstag, 06 Juni 2017 19:05)

    Wetterprognosen sind immer schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.
    Ich nehme an, dein Händedruck war so wie bei Macron gegen Trump ;-)

  • #2

    Biggi (Mittwoch, 07 Juni 2017 09:29)

    Freut mich,dass auch der zweite Termin geklappt hat und du so einen chilligen ,relaxten Tag hattest.Schöne Fotos ,das Selfi machen beherschst du perfekt.Immer wieder schön zu lesen,dass es dir gut geht.Mach weiter so :)

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