4. Etappe

Streckenverlauf:

  

Bispingen - Alvern - Wietzendorf - Bergen - Bergen-Belsen - Winsen/Aller - Wieckenberg - Isernhagen - Langenhagen - Hannover

 

 

Entfernung:  118 km


 

Hinweis:

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Von der ‚entschleunigenden‘ Heide in den Stress einer Landeshauptstadt

 

 

 

Im Herzen der Kulturlandschaft Lüneburger Heide herrscht nachts absolute Ruhe, will heißen, man kann ungestört schlafen. Aber am frühen Morgen erwacht aber auch hier die Natur. Ich höre den vielstimmigen Vogelgesang im Schlaf. Ein kurzer Blick auf die Armbanduhr bringt mir aber das  beruhigende Gefühl, noch über eine Stunde liegen bleiben zu können. Ich drehe mich deshalb auf meine Schlafseite und knacke nochmals heftig ein. Aber…Punkt 06:45 Uhr piepst mein Handywecker, und das  mit ätzender Lautstärke.

  

Strecken und räkeln, dann sportlich aus den Federn hüpfen…der Blick aus dem Fenster verleiht mir jetzt schon große Freude. Die Sonne ist zu sehen und es gibt heute nach meinem Gefühl gutes Radfahrwetter. Nach der Morgentoilette und dem Anziehen meines frisch gewaschenen Radtrikots ist das Verpacken meiner herumliegenden Habseligkeiten fast schon Routine.

  

Um 07:30 Uhr stehe ich im Frühstücksraum der Pension und lasse mich von dem von meiner netten Wirtin Angela gerichteten vielfältigen Frühstücksangebot quasi stimulieren. Ein gutes Stück nach dem anderen geht über die Kauwerkzeuge in den Magen, der heute aber noch lange nicht ‚stopp‘ sagt. Nun denn…es ist ja genug da. Mit satten Gefühl verabschiede ich mich von dem Ort Bispingen und radle gegen Süden über die Heideorte Töpingen, Alvern, Wietzendorf bis in die Kleinstadt Bergen. Die Luft ist noch sehr kühl und im Wald spürt man das ganz besonders. Von wegen Sommer. Auf guten Militär- und Landstraßen komme schnell voran, es ist alles flach und eben. Nur mit lästigem Gegenwind habe ich heute zu kämpfen. Aber, Gegenwind formt ja des Radlers Charakter! Zwischendurch mache ich immer wieder halt, um meine Eindrücke mit der Kamera festzuhalten.

 

In der Heidestadt Bergen zeigt mir dann mein Tacho auch schon 40 km an. Der nächste Stopp wird in der Gedenkstätte Bergen-Belsen sein. Hier war das berüchtigte KZ-Lager der Nationalsozialisten. Und an dieser Stätte starben während des 2. Weltkriegs viele tausende Kriegsgefangene und auch viele Juden, die dort im sogenannten Durchgangslager waren.

 

Meine Stimmung sinkt ob der vielen Gedenktafeln und erzählenden Hinweisschildern über das, was die Lagerinsassen an großem Leid hier haben erdulden müssen. Nach einem relativ kurzen Aufenthalt in diesem ‚Gelände‘ ziehe ich mit getrübter Stimmung wieder von dannen. Ruhe finden die vielen tausend Toten dort auch heute nicht. Andauernd sind dumpfer Kanonendonner und Gewehrsalven zu vernehmen. Die ganze Umgebung hier ist heute ein riesiger Übungsplatz für NATO-Truppen, die in dieser Gegend von früh bis spät Schießübungen mit Waffen und schweren Geschützen durchführen.

  

Ich fahre so unter Beschussgeräuschen weiter auf gutem Asphalt durch Mischwälder, Wiesen und Moore. Entlang meines Weges lese ich immerfort Warnhinweisschilder „Vorsicht, Explosionsgefahr…“. Meine Trittfrequenz wird bei dem ständigen ‚Ka-Wumm‘ automatisch immer höher. Nichts wie raus hier.


Kurze Zeit später erreiche ich Winsen an der Aller. Hier gibt es gottseidank keinen Kanonendonner mehr zu vernehmen. Hier fühle ich mich sicherer und lasse mich mitten in der aparten Kleinstadt zu einem Kaffeegedeck mit Kuchen nieder. Aus einem ausliegenden Prospekt entnehme ich, dass zu den Sehenswürdigkeiten von Winsen/Aller die Bockwindmühle von 1732, der Winser Museumshof, die Kirche St. Johannes d. T. mit der Winser Madonna und Taufbecken aus den 13. Jh., das Junkerntor und die Prinzensteine gehören. Ob ich diese Denkmale hier alle noch bewusst zu Gesicht bekomme? Na ja…alle…wäre wohl übertrieben. Die Kirche hat gerade noch geöffnet und ich kann mir einen kleinen Augenblick lang einen Eindruck verschaffen. Für weitere touristische Eindrücke habe ich keine Zeit mehr. An einem Radfahrtag nimmt man ja ohnehin unwahrscheinlich viele Eindrücke auf. Das muss dann immer alles mental verarbeitet werden und deswegen sind auch die Pausen zwischendurch unwahrscheinlich wichtig. Hier notiere ich mir auch einige Dinge, damit ich es nicht vergesse für meine Berichte. Und nebenbei…bei solchen Pausen gehen immer auch leibliche Stärkungen und wichtiger Getränkezufuhr mit einher. 

 

Ich schaue jetzt in meine Planunterlagen. Mein Tagesplan sagt mir, dass ich noch ca. 45 km zu meinem Etappenziel Hannover habe. Also schwinge ich mich -physisch und psychisch- gestärkt wieder auf den Sattel und radle über Orte wie Wieckenberg und Fuhrberg…und dann ist es geschehen. Einer gutaussehenden Beschilderung folgend, stehe ich nach einigen Kilometern im Wald vor einem Zaun. Niemand ist zu sehen…was also machen. Ich mache meinem Ärger mit einem lauten Schrei kurz Luft. Aber jetzt muss ich was tun. Zurück zum Ausgangspunkt?? Nun sehe ich ein Auto und da muss doch auch jemand sein. Ein junger Mann erkennt meine Lage und erklärt mir mit vielen „links, rechts, links und rechts“…halt, das kann ich mir so nicht merken. Die ersten vier „links-rechts“ kann ich mir merken und fahre dann dankend weiter. Und etwas später…kommt irgendwo ein Lichtlein her in Form eines Postautos. Drinnen saß auch ein netter Postler, der mir den weiteren Weg erklären kann. Es klappt alles, nur hat mir das alles einen Umweg von über 10 km gekostet. Ich höre immer wieder, Hannover sei ja eine Autostadt und hat demnach keine zusammenhängend logischen Ausschilderungen für Radler. Schade aber!


Ich richte mich nun aber trotzig beim nächsten Ort an die Straße…und da ist alles ganz normal mit Schildern bis Hannover Centrum ausgeschildert. Je näher ich Hannover komme, desto mehr nimmt der Straßenverkehr spürbar zu. Das muss man auch als Radler in Kauf nehmen, wenn man solche Zentren besucht. Immerhin hat eben diese Landeshauptstadt über eine halbe Million Einwohner und viele Tagesgäste…und zu einem der vielen zähle ich heute.

  

Bevor ich ins Zentrum komme, überquere ich noch den Mittellandkanal. Fast hätte ich ihn vor lauter Konzentration auf den Verkehr übersehen. Er ist ja Teil einer Verbindung zwischen den Flüssen Rhein und Oder und ist mit über 325 km Länge die längste künstliche Wasserstraße Deutschlands.

  

Weiterhin höchst konzentriert auf die Beschilderung und auf den Abbiegeverkehr achtend, erreiche ich nach 16 anstrengenden Kilometern das Zentrum der niedersächsischen Landeshauptstadt. Und hier kommt es mir vor, wie wenn alle Hannoveraner rumlaufen würden. Aber hier befindet sich u. a. auch die im 14. Jahrhundert erbaute Marktkirche mit dem Marktplatz nebst Marktbrunnen. Zusammen mit dem Alten Rathaus ist sie Zeugnis der norddeutschen Backsteingotik. Natürlich hat Hannover noch viel mehr zu bieten. Aber mein Aufenthalt ist ja auch hier zeitlich beschränkt. Ich nehme aber einen sehr positiven Eindruck von dieser Stadt und seinen netten Bewohnern mit. Ich bin als schiebender Radler sehr oft heute angesprochen worden und es gab viel Bewunderung für mich! Auch bei meinem Besuch der Marktkirche hat sich ein Bettler angeboten, meine Habseligkeiten zu bewachen. Ich hab’s ihm danach auch mit einem Geldstück gedankt. Auf der anschließenden Schlussfahrt zu der Jugendherberge im Süden der Stadt hat sich sogar ein einheimischer Radler die Zeit genommen, mich bis vor die Haustüre zu führen. „Radler müssen doch zusammenhalten2…meint er und hat mir beim Abschied alles Gute gewünscht.

  

Noch vor 18:00 Uhr erreiche ich die Jugendherberge im Ferdinand-Wilhelm-Fricke-Weg 1. Ich checke ein, beziehe mein bestelltes Zimmer und beginne mit der gewohnten Abendroutine.

 

Mit einem kurzen Innehalten bedanke ich mich bei meinen geistlichen Beschützern für diesen wiederum beeindruckenden Tag heute. Ich beschließe ihn nun mit meinem Tagesbericht und hoffe, ihr könnt mir nachfühlen, wenn ich so begeisternd von unseren schönen Deutschland berichte.

 

Jetzt habe ich ein reichhaltiges Abendbuffet vertilgt und möchte gleich auch noch zum Maschsee laufen.

 

Mein symbadischer P hat es auch heute nicht regnen lassen…vielleicht heute Nacht.

 

Bevor ich schließe, möchte ich noch liebe Grüße an meine langjährigen sportlichen Begleiterinnen Heidi und Irma schicken. Die beiden feiern heute jeweils ihr dreiviertelstes Jahrhundert. Glückwunsch euch beiden und… macht weiter so! I trink‘ noch a Bierle odder a zwei uff eich!!

 

Ja und wenn wir schon bei den Glückwünschen sind…Nicole aus N…auch dich habe ich nicht vergessen. Prösterchen!

 

…und es geht noch weiter mit Glückwünschen: Liebe Karlsruher Freunde…vergesst nicht den 300. Stadtgeburtstag…noch ein Prösterchen auf den Markgraf Karl Wilhelm!

 

Aber jetzt möcht‘ ich nix meh trinke…und müde bin ich auch!

 

Gut‘s Nächtle an ALLE lieben Leserinnen und Leser!

 

 

 

Es grüßt euch alle ein glückseliger Radler!



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